„Die Grundprinzipien der Architektur sind nicht neu, nur verschiebt sich durch die Epochen hin die Nutzung und damit auch etwas an der Form.“ INTERVIEW mit Yasmin Alt
Die junge Dresdner Künstlerin Yasmin Alt erforscht plastisch, wie architektonische Formen funktionieren. Sie „baut“ ihre architektonischen Vorbilder nach, die sie auf ihre Grundformen, ihre Basis-Struktur reduziert, um ihrer Funktionsweise auf die Spur zu kommen – jedoch nicht, wie diese Bauten genutzt werden, sondern was beim Bauen (mit) dieser(n) Formen geschieht: Zugrunde liegt die Beobachtung, dass bestimmte Formen im Laufe der Zeit wiederkehren in unterschiedlichen Bautypen – so etwa die Entwicklung der „Halle“ von der antiken Basilika über den Kirchenbau hin zu Fabrikhallen in monumentalen Dimensionen.
Dafür arbeitet Alt mit unterschiedlichsten Ausdrucksmitteln, die sie zu räumlichen Collagen kombiniert. Zentral sind meist hüfthohen Gebäude-Plastiken, aber auch in Wandmodellen, die sie sorgfältig konstruiert. Ebenso finden sich jedoch auch rosettenartige runde Leuchtkästen, die an gotische Kathedralen erinnern, oder fotografische Dekonstruktionen. Ihre Arbeiten fügt sie zu raumgreifenden Installationen zusammen, anspielungsreich, vielschichtig, die Beziehungen untereinander aufbauen. Zugrunde liegt dabei eine immer intensive Auseinandersetzung mit dem vorgefundenen Raum, auf den Alt reagiert.
Immer wieder setzt sie sich auch mit ihren eigenen Werken auseinander, die sie durch das Prinzip des Zerschneidens und Wiederzusammensetzens weiterentwickelt und verfremdet.
Alt hat nicht auf direktem Weg zur Kunst gefunden. Sie hat zuerst Biologie in den USA studiert, hast dich dann aber entschlossen, Skulptur zu studieren: Ich habe dann auch wie Friedrich 2003 begonnen, in Dresden Bildhauerei zu studieren. Erst bei Professor Martin Honert und dann noch zwei Jahre als Meisterschülerin bei Professor Monika Brandmeier.
Gerade ging ihre Zeit in Frankfurt zu Ende, wo sie als Stipendiatin des Dynamo-Eintracht-Stipendium 2009-2010 gelebt und gearbeitet hat. Aktuelle Arbeiten von Yasmin sind derzeit in der 2. Plaza Show der Commerzbank Frankfurt „Hochparterre“ gemeinsam mit Fotoarbeiten von Friedrich Vater zu sehen.
PLAZA SHOWS
Im Interview mit deconarch.com erzählt Yasmin Alt über ihre Interesse an der Architektur, was sie für ihre Arbeit inspiriert und wie sie zur Kunst gefunden hat.
all images (c) Yasmin Alt
INTERVIEW
Yasmin, deine Arbeiten bestehen aus verschiedenen Elementen, die Beziehungen untereinander aufbauen und ähnliche Prinzipien untersuchen. Sie sind wie räumliche Collagen. Dabei arbeitest du mit ganz unterschiedlichen Materialien – du baust Strukturen aus MDF, aber fertigst ebenso Foto-Collagen an oder Leucht-Mosaiken. Welche Themen interessieren dich besonders in deiner Arbeit?
Yasmin Alt: Das ist zum einen Bewegung oder besser: Simulation von Bewegung. Das klingt zunächst widersprüchlich, da ich ja hauptsächlich rigide Objekte fertige. Aber die Momentaufnahme oder die angehaltene Bewegung kommt wiederholt in meinen Arbeiten vor. Das bedeutet, dass ich mit verschiedenen Mitteln arbeite, die sozusagen gegen das Wesen der Skulptur gehen. So baue ich gerne kleine Unstimmigkeiten in meine Arbeiten ein. Es kann leichte perspektivische Verzerrungen geben. Häufig zerteile ich Arbeiten auch, um sie wieder neu zusammenzusetzen. Das Fragmentarische spielt eine große Rolle. Darüber hinaus interessiere ich mich für die Baugeschichte der unterschiedlichsten Epochen. Gerade habe ich ein ziemliches Faible für die Gotik, aber auch Industriedenkmäler und Fassadengestaltungen interessieren mich.
Wo findest du Inspiration?
Yasmin Alt: Ich gehe meist von ganz konkreten Dingen aus der Realität aus. Das kann etwa ein Foto in einem Buch sein, das zur Initialzündung wird. Ich habe eine ganze Sammlung an antiquarischen Büchern über Architektur. Es kann aber auch ein Gebäude an der Autobahn sein. Plötzlich fällt mir etwas auf, gefällt mir und dann will ich untersuchen, was mir daran gefällt, und baue es nach. Dabei verändert es sich meistens von selbst. Allein durch die Größe zum Beispiel.
Häufig „baust“ du architektonische Vorbilder „nach“. Dabei reduzierst du sie auf ihre Grundformen, ihre Basis-Struktur, und erforschst ihre „Funktionsweise“ – nicht wie Bauten genutzt werden, sondern was beim Bauen passiert. Wie funktionieren Bauformen als Zeugnisse des Vergangenen?
Yasmin Alt: Vielleicht ist es das Monumentale und Erhabene, auf das ich reagiere, denn ich interessiere mich vor allem für Prachtbauten und was sie ausmacht. Dabei sind die Grundprinzipien der Architektur nicht neu, nur verschiebt sich durch die Epochen hin die Nutzung und damit auch etwas an der Form. Am Anfang produzierten die Kirchen die mächtigsten Bauwerke – riesige Hallen und zum Himmel strebende Türme für spirituelle Zeremonien. Später, in der Zeit der Industrialisierung, entstanden prächtige – hierzulande leider häufig unterschätzte – Gebäude, die mit einfachen Mitteln in große zweckmäßige Gebäuden strukturiert wurden. Es gelang, neben Monumentalität auch Abwechslung für das Auge zu schaffen.
Bei den Bauwerken, die mich interessieren, erforsche ich ihre Wirkung nach Außen hin. Ich baue ja nichts Zweckmäßiges, sondern ein Modell, und vielleicht ist es deswegen, dass sich die Arbeiten verändern müssen. Als Modell sind sie anderen Gesetzmäßigkeiten unterworfen und oft in einem Blick zu erfassen. Die Herausforderung liegt für mich eben darin, ihnen in dieser Größe wieder etwas Aufregendes zu verleihen.
Woher kommt dieses Interesse an der Architektur?
Yasmin Alt: Wahrscheinlich schwingt da schon der Wunsch mit, vergangene Zeiten erlebt zu haben. Als Kind wollte ich unbedingt Archäologin in Ägypten werden und konnte sogar einige Hyroglyphen lesen. Davon bin ich wieder abgekommen, aber die Liebe zu Ruinen und Vergangenem ist geblieben.
Du hast zuerst eine ganz andere Studienrichtung eingeschlagen. Warum hast du dich doch für Kunst entschieden?
Yasmin Alt: Ich merkte recht schnell, dass das Biologie-Studium für mich auf Dauer nichts war. Mit dem Eintauchen in die Molekularebene mit ihren Buchstabenkodes wurde es für mich immer bedeutungsloser. Die Liste der Unterenzyme und Cofaktoren wurde immer länger, aber näher an die Substanz von Leben kam man dadurch nicht. Also musste ich etwas ändern. Es war eine schwierige Zeit für mich und zur Kunst bin ich eher zufällig gekommen. Mir ging es einfach immer gut, wenn ich Kunst machte. Ich fuhr viel herum in dieser Zeit und habe fotografiert, Autobahnkreuze, verlassene Gegenden. Die Idee, Skulptur zu studieren, entstand über meine Beschäftigung mit Collagen und ein Freund riet mir, das doch zu versuchen, mein Interesse für die dritte Dimension zu verfolgen.
Collage, Fotografien, MDF – du arbeitest mit ganz unterschiedlichen Materialien …
Yasmin Alt: Das richtet sich schon ein bisschen nach der Idee. Manchmal benötige ich bestimmte optische Oberflächeneigenschaften. Dann benutze ich Kunststoffe wie Polyester. Am liebsten ist mir aber MDF, das kann man schnell mit der Stichsäge sägen und mit Heißkleber grob fixieren. Es lässt sich sogar etwas biegen. Ich bin aber dazu übergegangen, das MDF noch mit Epoxydharz zu tränken, das gibt eine bessere Oberfläche und ist stabiler. Dann verspachteln und schleifen, verspachteln und schleifen. Eine gewisse Perfektion was Oberfläche und Kanten betrifft ist mir schon wichtig. Denn meine Arbeiten sind formtechnisch eher reduziert und daher empfinde ich es als störend, wenn man die Konstruktionsgeschichte noch sieht. Ein bisschen Magie muss sein! Das Material ist in solchen Fällen dann eher ein Farbträger.
Seit Kurzem beschäftigst du dich auch intensiv mit Farbe und der Farbigkeit deiner Objekte.
Yasmin Alt: Damit habe ich mich während meiner Zeit in Frankfurt verstärkt beschäftigt. Ich habe viele Collagen gemacht und so mein Augenmerk verstärkt auf die Wirkung von Farbe und Form auf der zwei-dimensionalen Fläche gerichtet. Hatte ich vorher die Farbigkeit eines Objektes als zweitrangig angesehen, und daher eine einfarbige Fassung vorgezogen, habe ich während des Stipendiums für mich neue Möglichkeiten des Farbauftrags erkundet. Durch die Verwendung von Sprühlack ergaben sich spannende und auch sehr direkte Wege in der Farbgestaltung. So konnte ich eine weitere Illusionsebene hinzufügen. Das Objekt und die Farbigkeit als zwei sich überlagernde Ebenen begreifen, die einerseits die dreidimensionalen Eigenschaften des Objekts verstärken können und zusätzlich Illusion von Dreidimensionalität erzeugen, wo keine ist. Dadurch hat sich meine Arbeit in eine abstraktere Richtung entwickelt.
In deinen Worten: Was ist charakteristisch für deine Arbeit?
Yasmin Alt: Ich glaube das charakteristische an meinen Arbeiten ist, dass sie sich als dreidimensionale Collage zusammenfügen. Sie bestehen aus unterschiedlichen Elementen, die Beziehungen untereinander aufbauen und ähnliche Prinzipien untersuchen.
Yasmin, vielen Dank für das Interview!