Julius Shulman. Modernism Rediscovered, by TASCHEN | REZENSION
Zum 25jährigen Jubiläum des TASCHEN Verlags ist die über 1000 Seiten starke dreibändige Publikation „Julius Shulman. Modernism Rediscovered“ (2000) in einer „Light Version“ erschienen. Dennoch keine „leichte“ Lektüre, denn auch die gekürzte Sonderausgabe zum spektakulären Preis von knapp 20€ – das Original kostet 250€ – ist immer noch über 400 Seiten stark und im XXL-Format (24,8 x 31,5 cm) und bietet wundervolle Bilder von Julius Shulman.
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Julius Shulman
Modernism Rediscovered
Gössel, Peter (Ed.)
Serraino, Pierluigi / Shulman, Julius / Shulman, Julius
Hardcover, 24.8 x 31.5 cm, 416 Seiten
€ 19.99
ISBN: 978-3-8365-0326-6
Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch
Wie es der Titel verspricht, bietet der Band so etwas wie eine „Wiederentdeckung“ der Moderne: Erstmals versammelt werden beinahe 250 Fotografien des weltbekannten Architekturfotografen Julius Shulman von Bauwerken der US-amerikanischen Moderne, die zwischen 1939 und 1980 entstanden sind. Die Abbildungen wurden bislang kaum oder nur ein paar Mal publiziert und sind daher aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Shulman, mit dem der TASCHEN Verlag bereits Ende der 1990er Jahre für „Architecture and Its Photography” eng zusammengearbeitet hat, hat sein Archiv geöffnet und es so möglich gemacht, zahlreiche architektonische Kostbarkeiten, nicht nur an der kalifornischen Westküste, sondern auch in den gesamten Vereinigten Staaten sowie in Mexiko, Israel oder Hongkong neu zu entdecken (letztere allerdings in der umfangreichen Ausgabe).
Julius Shulman
Shulmans Fotografien der kalifornischen Moderne, seine Aufnahmen des Kaufman House etwa oder die Porträts der Case Study Houses, haben unser Bild von der Architektur der 1950er und 1960er Jahre geprägt wie kaum ein anderer. Nach wie vor begegnen die Aufnahmen immer wieder in Magazine und Bücher. Shulman hat jedoch – natürlich – wesentlich mehr Bauten fotografiert und es gibt bedeutend mehr moderne Bauten als „nur“ die Case Studies oder die Arbeiten von Frank Lloyd Wright. Aus verschiedenen Gründen sind viele dieser Gebäude, die den bekannten Bauwerken in Qualität kaum nachstehen, jedoch wenig(er) publiziert worden und so in Vergessenheit geraten. Ihnen ist die TASCHEN Publikation gewidmet, die eine Auswahl dieser Bauten wieder ins Bewusstsein holen und so den kalifornischen Modernismus in seiner Vielfalt würdigen will.
Übrigens: Leben und Werk Shulmans widmet sich die filmische Dokumentation “Visual Acoustics”.
Modernism Rediscovered
Modernism Rediscovered ist, wie die meisten TASCHEN-Bücher, in erster Linie ein Bilderbuch, das von den Abbildungen der Shulman-Fotos lebt. Die ausgewählten Gebäude werden in mehreren Abbildungen, sowohl in s/w wie in Farbe, präsentiert und von kurzen Erläuterungstexten in 3 Sprachen begleitet, in denen Angaben zur Veröffentlichungsgeschichte und dem gegenwärtigen Zustand sowie, soweit möglich, auch Literaturangaben gegeben werden. Stellenweise wird auch ganz auf Informationen verzichtet.
Ausgewählt wurden die Aufnahmen nach dem Beitrag, den die porträtierten Gebäude jeweils für die Architekturszene ihrer Zeit leisteten. Ihre Anordnung in der Publikation orientiert sich an Shulmans Archivierungsverfahren, d.h. sie werden chronologisch nach der Auftragsnummer, die der Fotograf vergeben hat, aufgeführt, gefolgt vom Namen des Architekten, dem Standort des Gebäudes sowie dem Datum der Aufnahmen.
Am Ende führt die Publikation Kurzbiografien ausgewählter Architekten auf, ebenfalls in drei Sprachen, sowie einen Index aller präsentierter Architekten mit ihren jeweiligen Gebäuden. Eine Bibliografie bietet eine Einsteiger-Übersicht mit wichtigen Publikationen zur kalifornischen und amerikanischen Moderne, zu Theorie und Technik der Architekturfotografie – hier sind vor allem auch Shulmans Texte interessant – sowie zur Thematik des Bildes/Fotografie in den Medien.
Modernism Rediscovered: Die Fotografie und die Amerikanische Moderne. Vom frühen International Style bis zu den 70er-Jahren
Pierluigi Serrainos Einleitungsessay
Eingeleitet wird die Publikation von dem Essay Die Fotografie und die Amerikanische Moderne. Vom frühen International Style bis zu den 70er-Jahren von Pierluigi Serraino, einem Architekten aus der San Francisco Bay Area, der mehrere Artikel und Bücher über Architektur verfasst hat, darunter auch das TASCHEN-Buch „Saarinen“. Auch dieser Text ist in englisch, deutsch und französisch auf jeweils 2 Doppelseiten verfügbar.
Serraino stellt die drei Ziele der Publikation vor, die neben der Absicht, unbekannte Arbeiten von Shulman einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, auch die „Diskussion über die kalifornische Moderne und die moderne Architektur im Mittelwesten neu […] beleben“ sowie zeigen will, „dass in den aktuellen architektonischen Datensammlungen [der USA… entscheidende] Dokumente […] fehlen“ (10) – eben jene Bauten, die aus diversen Gründen trotz baulicher Qualitäten selten publiziert wurden.
Der Text bietet damit also keine Einführung ins Werk des Fotografen, auch keine fachliche Annäherung an seine fotografische Arbeit, wie man dies von auf eine Künstlerpersönlichkeit ausgerichteten Monografien gewöhnt ist. Der Fokus liegt auf dem „Modernism rediscovered“: Serrainos Darstellung von Zusammenhängen zwischen publikatorischen Mechanismen und der Bekanntheit von Architektur gibt einen aufschlussreichen Einblick indie Funktionsweise unseres Bildgedächtnisses. Wie in der Werbung gilt auch für die Architektur die simple Gleichung: Je mehr Publicity, desto mehr Aufmerksamkeit und desto länger im öffentlichen Gedächtnis:
„Für die professionelle Anerkennung von Bauwerken in der Gesellschaft kann es eine entscheidende Rolle spielen, dass ihre Arbeiten in den Medien Beachtung finden. Eine langfristige […] Öffentlichkeitsarbeit […] hilft […].“ (13)
Um dies zu erreichen nennt Serraino drei „Strategien für ein architektonisches Gedächtnis“. Diese publizistischen Strategien und die Verbreitung der Architekturbilder entscheiden maßgeblich über die Bedeutung eines Gebäudes bzw. eine architektonischen Idee sowie der Ideen ihres Schöpfers über einen größeren Zeitraum und lokalen Rahmen hinaus. Provokant gesagt: Ein Gebäude ist nur so gut, wie seine Fotografie und ihre Verbreitung/ die Berichterstattung darüber.
Dank der stark visuellen Ausprägung unserer Wahrnehmung spielen die Fotografen damit eine nicht unerhebliche Rolle als Mittler zwischen Architekten und Redaktionen, entscheiden doch seine Aufnahmen letztlich über das „Gesicht“ des Baus.
Darüber hinaus gibt Serraino auch einen kurzen Abriss über die publizistische Szene in USA und insbesondere Kalifornien in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg, zur Blüte des International Styles. Er präsentiert die wichtigsten Zeitschriften und nennt ihre Funktion bei der Darstellung von Architektur. Neben den professionellen Fachmagazinen sind dies v. a. auch populäre Zeitschriften wie „LIFE“ oder die Sonntagsbeilage der „Los Angeles Times“, die „zu einem pädagogischen Instrument [wurde], das eine fachlich nicht vorgebildete Leserschaft systematisch dazu erzog, Konzepte modernen Wohnens zu akzeptieren und das Verständnis für seine gesellschaftliche Bedeutung zu erhöhen“ (11f.).
Zudem bespricht der Autor auch, wie die drei wichtigsten Kunst. und Architekturindices der USA – Avery Index, Architectural Index und Art Index – funktionieren.
Modernism Rediscovered provides a selection of little known photographs by Julius Shulman, all taken from Shulman’s huge archive. Thus the publication actually offers the chance to rediscover a part of American and esp. Californian modernism.
The introductory essay by Pierluigi Serraino – indeed not a typical introduction to Shulman’s work, as you would expect to find in a monographic publication of this kind – offers an insight about how our “visual memory” works. Concentrated on a provoking sentence you might state: The more publicity, the more attention a building receives and the longer does it remain in public perception.
All texts are provided in English, German and French.
Illus. courtesy TASCHEN
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