Reden über Architektur erleben: Tatiana Bilbao im Marta Herford | FSB

Es kann auch funktionieren. Er mag umstritten sein, aber in Herford hat er sich bewährt, der „Bilbao-Effekt“. Wie in der baskischen Stadt gelang auch hier durch einen extravaganten Gehry-Bau die Aufwertung eines zuvor vernachlässigten Stadtteils – das regional-typisch rot verklinkerte Marta, 2005 eröffnet, ist ein Museum für Kunst (art) und Ambiente, das zeitgenössische Kunst ebenso im Programm hat wie Design und Architektur und damit internationale Beachtung erfährt.

Ein spannender Rahmen also für die „Rede zur Architektur“, einem der Höhepunkte des Literatur- und Musikfestes „Wege durch das Land“, das seit 2003 veranstaltet wird und sich dieses Jahr unter der Leitung von Helene Grass und Albrecht Simons von Bockum Dolffs dem Thema „Heimat und Zugehörigkeit“ verschrieben hat. Spielorte sind für gute drei Monate (25. Mai bis zum 13. August) außergewöhnliche Orte in Ostwestfalen-Lippe, Schlösser, Klöster, Industriebauten, Scheunen, …

Mehr als gespannt folgen wir von deconarch.com daher der Einladung von FSB, die jährlich die „Rede zur Architektur“ unterstützen, um im Marta Herford Tatiana Bilbao zu hören.

In der Tat, ein mehr als umfangreicher Kulturabend! Die beiden gesprochenen Vorträge des Abends – neben der „Rede zur Architektur“ liest Sandra Hüller, bekannt derzeit vor allem für ihre Hauptrolle in „Toni Erdmann“ aus einem Roman der ägyptischen Schriftstellerin und Journalistin Mensura Enseddin – werden umrahmt von Konzerten des Cölner Barockorchesters. Im Saal und – sehr schön – in einer musikalischen Raumbegehung durch das Marta, bei der die Musiker ganz handfest anpacken und Cembalo, Laute und diverse Streicher selbst auf der Bühne ab- und mitten in den Ausstellungsräumen wieder aufbauen.

Und dann Tatiana Bilbao, unser Highlight des Abends. Die mexikanische Architektin, die als eine der innovativsten ihres Fachs gilt, jagt buchstäblich durch ihre etwa einstündige Präsentation, zeigt ihre Entwicklung in einem Best of an Projekten, Plänen und Vorhaben und ist, Entschuldigung, einfach eine coole Socke (die Lederlatzhose ist im gediegenen Ambiente schon per se ein Style-Statement).

Ihre Arbeit kreist immer wieder um das Schaffen von „community spaces“, die Entwürfe werden meist mit reduzierten Mitteln – materiell wie formal – entwickelt und setzen dabei ein ebenso leichte, moderne Formensprache ein. Aus erstaunlich simplen Formenlösungen entstehen eindrucksvolle Ergebnisse: Von der Gratitude Open Chapel[1] auf der Ruta del Peregrino – besonders raffiniert: vier weiße Steinstelen bilden einen „offenen Innenraum“, wenn man so will, indem sie die klassische Kirchenkreuzform nur an den Schmalseiten der schiffe markieren – über den Botanischen Garten von Culiacan bis zu den Social House-Prototypen (mehr dazu). Immer wieder betont sie die Bedeutung von Umgebung und Natur für die Entwürfe, die als alltäglich genutzte Orte immer auch Erlebnisräume sein wollen.

Wir freuen uns auf die Publikation ihrer Rede in ein paar Monaten!

Noch ein paar Impressionen:

all illus. (c) deconarch.com / NS

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[1] Die Gratitude Open Chapel (2008–10) von Tatiana Bilbao mit Dellekamp Arquitectos; die beiden haben die Pilgerstrecke auch „gemasterplant“, ein tolles Projekt.

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