„Im Zug skizziere ich die bewegte Landschaft, beobachte sie, entdecke sie neu durch meine Skizzen.“ INTERVIEW mit Otto Oscar Hernandez Ruiz

Die Wende, 2014 Acrylic on canvas, 80 cm diam.

Die Wende, 2014
Acrylic on canvas, 80 cm diam

Der kubanische Künstler Otto Oscar Hernández Ruiz (*1976), ist studierter Architekt, entscheidet sich jedoch nach den ersten Jahren in der Praxis in Havanna für eine große Veränderung. Er zieht nach Deutschland und studiert bei Liz Bachhuber an der Bauhaus Universität Weimar.

Heute arbeitet er mit Malerei und Zeichnung ebenso wie mit Performance. Dabei beschäftigt er sich immer wieder mit der Wahrnehmung von Landschaft – die uns heute nur selten als „Natur pur“ umgibt, sondern meist gestaltet ist. Kunst und Architektur verbinden sich zu gezeichneten Momentaufnahmen und großformatige Gemälde. Auch die Verbindung zweier Kulturen, Kuba und Deutschland, fließt in sein Schaffen mit ein.

In den ortsbezogenen Performances artikuliert er diese Themen auf einer audio-visuellen Ebene, stets in Auseinandersetzung mit Publikum, Musik und Location.

Seit einem Jahr ist Hernandez zudem Co-Kurator der Berliner Galerie The Ballery, die 2013 von Simon Williams eröffnet wurde und sich als Netzwerk von Künstlern aus aller Welt versteht.

Im Interview mit deconarch.com verrät Otto Oscar Hernández Ruiz, welche Rolle die Architektur in seinem künstlerischen Schaffen spielt, wie seine Werke zustande kommen und warum er der praktischen Architektur den Rücken gekehrt hat.

all illus. (c) Otto Oscar Hernandez Ruiz
www.ottooscarhernandezruiz.com/

 

INTERVIEW

Du arbeitest (auch) mit Architekturmotiven. Wie kam es dazu?

Fragmented Landscapes, 2016, Ink on paper, 33 x 21 cm

Fragmented Landscapes, 2016, Ink on paper, 33 x 21 cm

Zu Hause in Havanna war das Thema Architektur immer im Gespräch. Mein Vater war Architekt und ich erinnere mich, wie ich immer von architektonischen Skizzen, Hunderten von Bleistiften, Linealen und Grundrissen umgegeben war. Ich hatte Spaß dabei! Mich hat das Wie und Wo Menschen leben, überleben fasziniert.

Kam von daher auch Entscheidung selbst Architektur zu studieren?

Das denke ich, ja.  Zeichen und malen war, seit ich denken kann, das Medium, mit dem ich mich am besten ausdrucken konnte.

Wie und wann fiel dann die Entscheidung, nicht mehr als Architekt zu arbeiten, sondern Künstler zu werden?

Als ich schon zwei Jahre als Architekt in Kuba gearbeitet hatte und die Zeit für künstlerische Arbeit knapp wurde, habe ich mich entschieden, noch ein zweites Studium anzufangen, um noch etwas Neues und dazu auch eine neue Sprache zu lernen. In Havanna verdienten wir kaum Geld und alleine  der Reise nach Deutschland kostete viel zu viel. Damit möchte ich nur sagen, dass so eine Entscheidung nicht unbedingt einfach fällt. Ich habe einfach sehr schnell gemerkt nach meinem Architektur-Diplom, als ich in einem Büro gearbeitet habe, wie das architektonisches Schaffens in Wirklichkeit aussieht und wie selten man ein Büro findet, in dem man etwas mehr Raum „erforschen“ kann und in dem die Lebensqualität der Mitmenschen im Vordergrund steht.

Dennoch, wie beeinflusst deine Ausbildung als Architekt deine künstlerische Arbeit?

U1, 2017, Coal and Acrylic on canvas, 130 x 180 cm

U1, 2017, Coal and Acrylic on canvas, 130 x 180 cm

Architektur ist ja seit einigen Jahren kein Beruf mehr für mich, aber die Lust über den architektonischer Raum nachzudenken, ist immer noch da. Ich denke immer räumlich und versuche dies auf Papier oder Leinwand zu artikulieren. Hier geht es nicht um Effizienz oder Sonderwünsche oder auch nur darum, bestimmte Verfahren zu befolgen. Beim Malen und Zeichnen kann ich mich auf die Poesie des gegebenen Raumes konzentrieren.

Wie findest du deine Motive?

Ich denke, die finden mich. Die Ästhetik von gebauten und gebrochenen Strukturen, Orten und Räumen fasziniert mich.

Wie entsteht eine Arbeit, wie ist dein Arbeitsprozess?

Fragmented Landscapes, 2016, Ink on paper, 33 x 21 cm

Fragmented Landscapes, 2016, Ink on paper, 33 x 21 cm

Seit  über zehn Jahren lebe ich in Deutschland und reise regelmäßig zwischen Weimar, Leipzig und Berlin hin und her. Der Zug ist quasi mein Atelier geworden. Im Zug skizziere ich die bewegte Landschaft, beobachte sie, entdecke sie neu durch meine Skizzen. Die Strecken und Motive wiederholen sich, aber die Wahrnehmung ist immer einzigartig. Ich entdecke durch meine Skizzen Deutschland neu, verstehe es besser. Das Skizzenbuch ist mein „Motiv-Archiv“ geworden!

Durch diese Praxis verstehe ich die deutsche Landschaft besser. Ich frage mich immer, wo die Unterschiede liegen zwischen Thüringen, Sachsen oder Brandenburg. Straßen, Brücken, Schatten, Hallen, Baustellen … es verändert sich immer etwas. Alles ist gebaut, alles ist bewirtschaftet und dies wird, denke ich, auf meinen mit Pinsel gezeichneten Skizzen sichtbar und teilweise abstrahiert. Es muss schnell gehen. Die Geschwindigkeit lässt mir keine Zeit für lange Beobachtungen. Daher können die Skizzen „unfertig“ wirken, und genau das finde ich interessant.

Später male ich mit Acryl auf Leinwand, das schnell trocknet. Diese Bilder sind dann „fertige“ Ergebnisse meiner Reisen und Visionen.

Du arbeitest auch mit Performance …

Görlitzer, 2016, Acrylic on paper, 70 x 100 cm

Görlitzer, 2016, Acrylic on paper, 70 x 100 cm

Performances sind ein wichtiger Teil meiner künstlerischen Praxis geworden. Ich arbeite mit meinem eigenen Körper, mit Bewegung und Stimme. Durch die Performances haben sich Kooperationen und Projekte mit anderen Künstlern und elektronischen Musikern entwickelt. Ich verwende eigene Texte, aber auch Texte von anderen Autoren. Viele meiner Performances wirken wie ein Ritual. Tatsächlich fühle ich mich dabei selbst wie in Trance. Durch Tanz, gesprochene und gesungene Sätze und Klänge wird immer eine Geschichte erzählt.

Es ist ein wichtiges Thema für mich, wie man am besten mit anderen kreativen Menschen zusammenarbeiten kann. Meine künstlerische Tätigkeit ist mittlerweile verbunden mit einen Raum, einer Galerie, in der die Kommerzialisierung von Kunstwerken nicht das Hauptziel ist, sondern die Entwicklung von Projekte und Events.

Seit einem Jahr bist du bei der Galerie The Ballery in Berlin mit an Bord, die ein besonderes Konzept verfolgt. Welche Themen beschäftigen euch?

Die Galerie hat Simon Williams vor drei Jahre eröffnet und seit einem Jahr machen wir das zusammen. Wir wollen eine gewisse Flexibilität  für den Raum erhalten. Zwischen Konzerten, Ausstellungen und Talks wird ein kultureller Raum geschaffen, welcher für Vielseitigkeit steht und eine Platform für Berliner Künstler bietet.

Wer inspiriert dich? Gibt es Vorbilder?

Grace Jones, Gustav Mahler, Wilfredo Lam, Le Courbusier und David Bowie.

Otto, herzlichen Dank für die Einblicke in deine Arbeit!

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