FREESPACE 2018 | Die Architektur-Biennale in Venedig (1)
FREESPACE _ Es ist wieder soweit: Architektur-Biennale in Venedig! Die 16. bereits, und deconarch.com mit dabei. Kuratiert von den irischen Architektinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara verspricht die internationale Ausstellung 2018 unter dem Titel FREESPACE “a generosity of spirit and a sense of humanity at the core of architecture’s agenda”.
Die Biennale läuft bis zum 25. November 2018 in den Giardini und im Arsenale und in zahlreichen weiteren Spielorten in der ganzen Stadt. Venedig ist Biennale.
„Du warst bei der Biennale! In Venedig! Und, wie war‘s? Lohnt es sich?“
Die Reaktionen laufen fast schon standardmäßig nach dem gleichen Schema ab. Große Begeisterung – Venedig! – und fachliches Interesse – die Biennale ist schließlich mit das größte Event ihrer Art –, aber auch eine ordentliche Portion Skepsis – die Biennale ist schließlich, richtig, ein Megaevent.
Die Antwort? Nicht ganz einfach. Lohnt es sich? In Kürze: Natürlich. Es kommt allerdings auf die Erwartungshaltung an, mit der man sich die Ausstellungen anschauen möchte.
Sie ist inspirierend, „die Biennale“. Eine ganze Stadt im Zeichen eines kulturellen Themas, der Architektur. Schon in der Fülle der Veranstaltungen, die sich mit den unterschiedlichsten Facetten des Bauens befassen, liegt eine fordernde und überfordernde Inspiration – die Grenzen sind fließend –, die Denken in Gang setzt. Die Umgebung inspiriert. Thema ist immer wieder Architektur. In den Gesprächen. In den Ausstellungen. In der Stadt, auf Plakaten, auf Stofftaschen …
Und konkret? Genau genommen ist „die Biennale“ ein Megaevent, das sich aus x kleinen Ausstellungen zusammenfügt – in zwei Hauptspielorten, dem Parkgelände „Giardini“ und dem Arsenale, einem alten Militärkomplex, der seit 1990 auch für die Ausstellungsevents genutzt wird. Die Giardini wiederum sind schon an sich sehr spannend mit Länderpavillons, die teils schon an die 100 Jahre alt sind und viel über die Europaidee erzählen, noch ehe eine solche überhaupt erst zum politischen Tagesgeschäft geworden ist. Die Biennale von Venedig ist das älteste Event in dieser Art – ins Leben gerufen wurde sie 1985 für Kunst; der erste Nationalpavillon in den Giardini wurde 1907 für Belgien entworfen. Es lohnt sich, sich hier ein wenig einzulesen (wie immer zum Start: Wikipedia hilft). Seit 1980 wechseln sich Kunst und Architektur im Jahresrhythmus ab, dazu kommen Musik, Film, Theater und Tanz.
In den Länderpavillons finden sich also von den jeweiligen Ländern selbst gestaltete Präsentationen, die sich – mehr oder weniger – mit dem übergeordneten Leitthema befassen. Dieses wird vom zweijährlich neu berufenen Kurator(enteam) ausgegeben und ist generell eher allgemein gehalten, wie auch sonst, um Vielfalt und Entsfaltungsspielraum zuzulassen. Die Kuratoren von 2018, die irischen Architektinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara, von Grafton Architects. Sie haben im zentralen Biennalepavillon in den Giardini und im Arsenale die Präsentation FREESPACE zusammengestellt, die über 70 Teilnehmer umfasst. Arbeiten von internationalen Architekten, besondere Projekte und Reflektionen zu bekannten Bauwerken der Vergangenheit sowie Projekte, die der Lehrerfahrung dienen. Schön, wie die Kuratorinnen zu jedem Exponat im Arsenale auch ein persönliches Statement geben, etwa wodruch sie selbst inspiriert wurden zu Beginn des Studiums.
Hinzu kommen Events außerhalb der Hauptspielorte, die sich in der ganzen Stadt verteilen – ein Übersichts-Handbuch mit allen Events zur Biennale führt allein 10 Seiten mit Stadtplänen auf, die die Orientierung erleichtern wollen (aber auch latente Panikgefühle erzeugen, sobald man an das eigene Zeitbudget denkt…).
Im Grunde schaut man sich damit zweierlei Spielarten der Biennale an – die 63 Länderschauen, die sich untereinander und vor allem mit sich selbst und den Vorgänger-Schauen der Jahre zuvor messen, und die Kuratoren-Ausstellungen. Was ist denn nun „die Biennale“?
Den Anspruch, „alles“ zu sehen, gibt man spätestens mit dem Blick in besagten Veranstaltungsübersichtskatalog auf. Aber man kann den Spieß umdrehen, gewissermaßen. Indem man sich treiben lässt, ohne Planung, ohne Erwartungen. Dort stehen bleibt, wo der Blick einen hinführt, das genauer anschaut, das Aufmerksamkeit erregt – ein Stück weit im Sinne der Spaziergangswissenschaft. Und natürlich auch ein Luxus, den man sich zeitlich erlauben können muss/sollte.
Und wo ist der Blick hängen geblieben? Neben dem deutschen Pavillon als einem der wenigen Pflichttermine – die anderen eher “darauf bin ich neugierig”-Orte – bei den Skandinavieren. Den Briten. Den Tschechen. Und ja, bei den Russen. Bei Fern- und Nahostasiaten auch. Mehr (folgt noch) hier.
Insgesamt aber auch: Die Biennale – in allen Spielarten – erfindet das Rad nicht neu, natürlich. Sie spiegelt aber die Vielfalt des Möglichen der Architekturausstellungen, der Themen und Inszenierungsweisen, wider. Und das inspiriert einfach.
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