„Der komplexe Bereich der architektonischen Formfindung in Modellen kommt der Kunst sehr nahe, weil es hier wie dort um die exemplarische Veranschaulichung von Erkenntnissen und Ideen geht.“ INTERVIEW mit der Galerie Rasche Ripken Berlin
Seit 2008 präsentiert die Berliner Galerie Rasche Ripken Künstler, deren Arbeiten sich mit Raum und Architektur auseinandersetzen. Die Galerie versteht sich als Ort zur Präsentation und Vermittlung zeitgenössischer Kunst und vertritt unterschiedliche künstlerischer Positionen in den Gattungen Malerei, Skulptur, Fotografie, Zeichnung, Video und Installation.
Die Galeriengründung 2008 in Berlin blickt auf eine konkrete Vorgeschichte zurück. Ehe sie sich zusammenschlossen, waren Karin Ripken und Stefan Rasche jeweils mit anderen Galerieprojekten in Berlin bzw. Münster befasst – RASCHE RIPKEN Berlin ist hervorgegangen aus der Galerie Stefan Rasche, die von 1991 bis 2007 in Münster ansässig war. Der Entschluss, sich mit einer gemeinsamen Galerie zusammentun, reifte nach und nach, nachdem beide sich auf der Art Amsterdam als Standnachbarn kennengelernt haben. Beide waren zu dieser Zeit auf der Suche nach einer neuen geschäftlichen Partnerschaft und haben bald festgestellt, dass sie an ähnlichen Fragen in der aktuellen Kunst interessiert sind.
Nach Wien und Berlin wird die Berliner Galerie in diesem Jahr erstmals an den „Solo Projects“ in Basel teilnehmen, einer sehr eigenständigen, jungen Kunstmesse, bevor es im September bereits zum fünften Mal auf die Art Amsterdam geht, welche sie, so die Galeristen, „wegen ihres Publikums und ihrer kollegialen Atmosphäre besonders schätzen“.
Bei deconarch.com stellt sich Rasche Ripken Berlin vor und erläutert den Fokus auf Architektonisches in der Kunst.
Illus. courtesy Rasche Ripken Galerie
INTERVIEW
Was ist der Schwerpunkt Ihrer Galerie?
Wir verstehen Rasche Ripken nicht als Programmgalerie im strengen Sinne, zumal die von uns vertretenen Künstlerinnen und Künstler in ganz verschiedenen Medien und Disziplinen arbeiten. Dennoch gibt es aber einen thematischen Schwerpunkt in der Auseinandersetzung mit Raum und Architektur. Eng damit verbunden zeichnet sich unser Programm durch eine gewisse Formstrenge aus, d.h. es geht um die Reflexion von Form und ihrer Ordnung. Hinzu kommt, dass viele der Künstlerinnen und Künstler unserer Galerie eigene, sehr spezielle Verfahrensweisen entwickelt haben, z.B. in der Verwendung und Kombination bestimmter Materialien.
Warum das Interesse am Architektonischen?
Zum einen, weil Raum und Architektur so grundlegend für unsere Wahrnehmung und unser Welterleben sind. Und zum anderen bildet dieser Themenkreis eine sehr ergiebige Basis für künstlerische Forschungen. Gerade hierfür erweisen sich Prinzipien der Ordnung und Konstruktion als bedeutsam. Man denke zum Beispiel an den komplexen Bereich der Modelle, der für architektonische Formfindungen eine wesentliche Rolle spielt. Das kommt der Kunst sehr nahe, weil es hier wie dort um die exemplarische Veranschaulichung von Erkenntnissen und Ideen geht.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Künstler aus, mit denen Sie zusammenarbeiten?
Mit vielen unserer Künstlerinnen und Künstler arbeiten wir schon lange zusammen, insofern ist der Spielraum für „Neuzugänge“ natürlich begrenzt. Wichtig ist uns dabei zum einen die Qualität und Eigenständigkeit der künstlerischen Position und zum anderen, dass sie zu uns passt. Das sind nicht zuletzt dramaturgische Überlegungen, die sich im Laufe der Zeit sehr stark ausdifferenzieren. Das heißt, man denkt immer auch über das Gesamtgefüge nach, über Schnittstellen und Unterscheidungsmerkmale. Neue Künstler müssen darin eine autonome, unverwechselbare Stellung behaupten und zugleich das Profil der Galerie sinnvoll bereichern.
Wollen Sie den Lesern von deconarch.com ein paar Ihrer Künstler näher vorstellen?
Gerne. Wir vertreten zum Beispiel Hein Spellmann, einen in Berlin lebenden Künstler, der fotografische Aufnahmen von Häuserfassaden auf sehr eigenständige Weise in plastische Wandobjekte verwandelt, indem er sie auf einen Bildträger aus Holz und Schaumstoff aufzieht. Ursprünglich waren es vor allem Plattenbauten, mit denen er sich beschäftigt hat. Sie kamen seiner Arbeit sehr entgegen, weil sie auf einer modularen Struktur basieren, die dem Künstler einen „Rückbau“ in kleinste mobile Wohneinheiten ermöglicht hat. Inzwischen fotografiert er auf seinen Reisen aber auch andere Architekturen, die er dann einzeln oder in Gruppen zu einer städtischen Partitur im Raum anordnet – ein Ansatz, den Hein Spellmann immer wieder durch neue Motive, Formate und Kombinationen erweitert.
Als hybride Konstruktionen lassen sich auch die Arbeiten von Martin Brüger aus Darmstadt beschreiben. Dabei geht er jedoch stets von einem Schnittverfahren aus, um den visuellen Sachverhalt „einschneidend“ zu verändern. Auch er fotografiert Fassaden, die er zunächst hinter Acrylglas aufzieht, um dann bestimmte Partien der Architektur zu entfernen. Die so entstehenden „Leerstellen“ werden wie bei einer Hinterglasmalerei mit weißer Acrylfarbe aufgefüllt. Infolgedessen verwandeln sich die architektonischen Ansichten in mehr oder weniger abstrakte Farbfeldkompositionen. Ähnlich verfährt er bei seinen Objekten, denen elektrische Geräte aus dem Haushalt wie Plattenspieler oder Joghurtmaschinen zu Grunde liegen. Auch hier werden bestimmte Bauteile durch eigens gefertigte, passgenaue Elemente ersetzt, wodurch die Gehäuse zu abstrakten Farbplastiken mutieren. Das heißt, bei Martin Brüger geht es immer um den schmalen Grad von Wiedererkennung und artifizieller Verwandlung.
Und im Bereich der Architekturmalerei vertreten wir Jan Ros, einen niederländischen Künstler. Bei ihm nimmt der bildnerische Prozess seinen Anfang bei der Fotografie. Das heißt, er geht zum Beispiel von Architekturansichten aus, um von dort aus nach den speziellen Bedingungen malerischer Umsetzung zu fragen. Darauf antwortet er mit einem Phänomen, das sich als zentraler Topos der Moderne bezeichnen lässt: die Unschärfe, die Passage, das Auflösen der Körper und Konturen im Zuge flüchtiger Betrachtung – eine Perspektive, die viele seiner Stadtansichten zu Vorbeifahrlandschaften aus dem Blickwinkel des Autofahrers macht.
Welche Zielsetzungen verfolgt die Galerie?
Wie bei jeder Galerie gibt es auch bei uns die externe und die interne Arbeit. Das heißt, die Ausstellungen und Messebeteiligungen repräsentieren unser Galerieprofil nach außen, während wir ansonsten sehr viel Arbeit auf die Vermittlung unserer Künstlerinnen und Künstler legen, nicht nur in kommerzieller Hinsicht, sondern auch im Kontakt mit Kunstvereinen und Museen. Hier ist über die Jahre ein gutes Netzwerk entstanden. Berlin ist dabei insofern ein sehr dynamischer Standort, als die meisten Besucher, Kunden und Kuratoren von außen kommen, was eine Vielzahl neuer Kontakte garantiert.
Welche Ausstellungen werden in den nächsten Monaten zu sehen sein? Wollen Sie etwas besonders hervorheben?
Noch bis zum 23. März zeigen wir „Full House“, einen Querschnitt durch unser Galerieprogramm mit Arbeiten von 16 Künstlerinnen und Künstlern. Anschließend, vom 30. März bis zum 19. Mai, gibt es eine Einzelausstellung von Ralph Merschmann zu sehen, einem Maler aus Köln, der sich seit vielen Jahren mit ornamentalen Strukturen beschäftigt – und dafür ebenfalls eine ganz eigene Arbeitsweise entwickelt hat. Ab dem 1. Juni wird dann Hein Spellmann (siehe oben) neue Arbeiten in unserer Galerie vorstellen.
Herzlichen Dank für die Infos nach Berlin!