Broken Plattforms | MICHAEL DEKKER in Kaiserslautern | Review

Über den Sommer bleibt es (archi)tektonisch in der Pfalzgalerie Kaiserslautern. Nach der umfassenden Werkschau von Claus Bury (bis Juni 2015) sind es nun die Objekte von Michael Dekker, die die Tektonik der Skulptur erforschen – im Rahmen der Preisträgerausstellung für den Pfalzpreis für Bildende Kunst, der 2014 für Plastik verliehen wurde. Seit 1953 vergeben, werden im Wechsel alle zwei Jahre Künstler aus Malerei, Plastik und Grafik/Fotografie/Video/Neue Medien ausgezeichnet, jeweils mit einem Hauptpreis und einen Nachwuchspreis. Für 2014 sind dies Christine Fischer aus Ludwigshafen und Michael Dekker als Nachwuchspreisträger (hier geht es zum deconarch.com Interview mit Michael Dekker).

Michael Dekker

BROKEN PLATFORMS

07. Juni 2015 – 23. August 2015

Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern

www.mpk.de

Michael Dekkers Arbeiten bilden den Auftakt zur Preisträgerausstellung, die den gesamten ersten Stock bespielt. „Timeline“, die Arbeit, mit der Dekker den Wettbewerb antrat, begrüßt die Besucher, tanzend, dynamisch, wie ein neongrüner Kreisel, ehe sie ihn in das Obere Foyer lenkt.

Dort, neben verschiedenen kleineren Bronzeplastiken und Gemälden, eine neue Arbeit, „Broken Platforms“, raumgreifend und doch fragil. Ein leuchtender Bogen, geschwungene Flügel, irgendwie organisch, irgendwie zusammengeschraubt – ein Ganzes ist doch mehr als die Summe seiner Teile.

Blick in die Ausstellung (c) Michael Dekker

Blick in die Ausstellung (c) Michael Dekker

Es sind Widersprüche und Brüche, die Dekker einfängt, konstruiert. Er untersucht geologische und architektonische Elemente, gewordene und gemachte Formen. Künstliche Materialien und scheinbar natürliche, gewachsene Formen werden kombiniert zu oft sehr großen Strukturen, die organisch wirken und doch deutlich gebaut, ge- und bearbeitet sind. Dazu verbaut der Künstler Materialien, wie sie im urbanen Alltag zu finden sind, Holzstücke, Plexiglas, übriggebliebene Neonröhren.

Oder die Reste eines Bühnenbilds für Hamlet, die das „Rohmaterial“ für „Broken Platforms“ geliefert haben. Kaum etwas Artifizielleres als ein Bühnenbild für eine Oper, kaum etwas inhaltlich aufgeladener, raumbestimmender im ganz wörtlichen Sinne, als ein Bühnenbild, das mit wenigen Mitteln für kurze Zeit eine Illusion als Interpretationsfläche zu erzeugen versucht.

Broken Platforms (c) Michael Dekker

Broken Platforms (c) Michael Dekker

Kombiniert hat Dekker die Arbeit mit typischen Museumsockeln, die er hier zu skulpturalen Formen umfunktioniert hat. Ein modernes Architekton – eine nicht geplante Referenz, die aber doch deutlich macht, in welcher Tradition man sich befindet.

Malewitschs Architektone | Nachdem 1917/18 die malerischen Experimente an einen vorläufigen Endpunkt gelangt sind, wendet sich das Interesse der Suprematisten der Erschließung der dritten Dimension zu: Die Architektur rückt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. „In meiner suprematistischen Architektur sehe ich den Anfang einer neuen Baukunst“, schrieb Kasimir Malewitsch 1927. Sie soll anders sein, als die bisherige Architektur, die nur zweidimensional denke, die nur die Fassade gestalte, die anderen Seiten aber vernachlässige und den räumlichen Körper nicht als solchen sehe.

Malewitsch entwirft axionometrische Zeichnungen, Planite, und räumliche Gipsmodelle, Architektone, turmartige Körper, die in die Horizontale und in die Vertikale ausgerichtet sind (von denen heute noch wenige erhalten sind). Quader in verschiedenen Größen und Formen werden gestaffelt, ineinander geschoben, aufeinander gesetzt. Es entstehen weiße rhythmisierte Gebilde ohne Tür- und Fensteröffnungen, schwerelos, die ohne Verbindung zum Grund dahinzuschweben scheinen. Diese Körper sind nicht funktional, sie stehen für nichts.

Wie die Gemälde sind auch diese räumlichen Modelle in die suprematistische Lehre eingebettet und sollen rein plastische Empfindungen der ungegenständlichen Welt verkörpern. Die Experimente konzentrieren sich auf die Auseinandersetzung mit den räumlichen Strukturen gemäß der neuen Kunst, die Malewitsch umsetzen will. Sie beschäftigen sich mit Fragen zu Statik und Dynamik, zu Auflösung und Verdichtung von Gewichten, mit dem inneren Aufbau eines Ganzen, seiner Grundstruktur. Seine Raummodelle werden nicht materiell-formal konstruiert, sondern zielen auf das Erfassen räumlicher Dimensionen (gemäß der suprematistischen Lehre).

Keine Wahlverwandtschaften | Eine solche Lehre verfolgt Michael Dekker nicht, und das ist gut so, die allzu universalen Ansprüche der Moderne sind überwunden. Aber die Fragen von Statik und Dynamik, vom inneren Aufbau und der Grundstruktur, die an die Grenze gebracht wird, vom Schichten von Formen im Raum und ihrem Verhalten zueinander, sie sind immer wieder neu, immer wieder anders zu stellen. Mag die „Architekton-ische“ Referenz auch eine zufällige sein, die sich aus dem Arbeiten mit dem vorgefundenen Raum ergeben hat, so weist sie doch auf spannende Parallelen, immer wieder neu zustellende Fragen hin.

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