„Es geht mir um Romantik, nicht um Kritik.“ INTERVIEW mit Jan Jansen
Zurück in die Natur, raus ins Grüne, das einfache Leben auf dem Land – der gegenwärtige Trend ist eindeutig. Beim Blick etwa in Zeitschriftenregale ist zwischen Landluft und -liebe gefühlt dreiviertel der Auslage dem einfachen, guten, grünen Leben gewidmet. Nur – tatsächlich abspielen tut sich dieses in urbanen Räumen.
Jan Jansen, Absolvent der Stuttgarter Kunstakademie, spürt dem besonderen Reiz der Stadt nach. Urbane Räume, Zweckbauten, menschenleer – aber deutlich vom Menschen geprägt, Stellen, die nicht “schön” sind, aber eine eigene Ausstrahlung haben. Charakter haben. Er malt nicht nach Fotografien, keine realen Orte, sondern Prototypen für solche typisch urbanen Stellen – Eingangszonen, Hinterhöfe, “tote Ecken” -, die, ganz Maler, malerisch komponiert: “Es finden sich an solchen Bauten nicht nur überraschende Farbkombinationen, sondern auch kompositorische Ungereimtheiten, die nicht nur inspirierend sind, sondern auch ein (meiner Meinung nach) gutes Motiv abgeben.”
Im November werden Arbeiten von Jan Jansen bei Schacher – Raum für Kunst in Stuttgart zu sehen sein.
Im Interview mit deconarch.com verrät der Künstler, wie seine Bilder entstehen, welchen Vorteil die Malerei gegenüber der Fotografie hat und wieso in urbane Räume so fazinieren.
all illus. (c) Jan Jansen
INTERVIEW
Woher kommt dein ausgeprägtes Interesse an urbanen Räumen?
Mein Interesse für urbane Räume rührt wahrscheinlich daher, dass ich nicht auf dem Land aufgewachsen bin. Ich bin in Köln aufgewachsen, zwar nicht im Zentrum, sondern vorstädtisch – aber in unmittelbarer Nähe zu den Bayerwerken. Geht man dort zum Rhein, sieht man auf der anderen Seite die Ford-Werke.
Da ich seit frühester Kindheit mehrmals im Jahr nach Warschau reise, ist auch diese Stadt sehr prägend für mich. Ich fand es schon als Kind interessant beide Städte zu vergleichen bzw. nach Eigenheiten oder Besonderheiten Ausschau zu halten. Für mich war der städtische Lebensraum immer interessant. Natur, das lernt man ja in der Schule, ist ein schützenswertes Idyll, in dem der Mensch nichts verloren hat, aber die Stadt ist für den Menschen gemacht. Man kann in ihr lesen, sehen, wer dort wohnt, ihre Geschichte und ihre Geschichten erkennen.
Was mich interessiert und inspiriert, sind Spuren – die Spuren, die allgegenwärtig zu sehen sind, Dreck an der Wand etwa, was eine „Schmuddelecke“ für den Einen ist, sind für mich interessante Orte mit einer spezifischen Geschichte oder meinetwegen auch mit einer „Aura“ oder Magie.
Wo findest du diese Orte konkret?
Es handelt sich bei meinen Motiven nicht um reale Orte (ich male keine Fotos nach). Es sind vielmehr Prototypen solcher Orte, die jedermann kennt, gewissermaßen allgemeingültig. Sie sind überall zu finden und jeder kennt sie, sodass jeder einen Zugang finden kann.
Bei meiner Arbeit “A7, Sommer” dachte ich zuerst an eine Bahnstrecke und die Dinge, die sich entlang einer solchen finden. In einer der ersten Fassungen war im Vordergrund noch ein verdörrtes Bäumchen sowie ein leerer Farbeimer zu sehen. Außerdem fiel ein Lichtstrahl quer über die Mauer. Wenn man sich das Bild im Original anschaut, kann man dies auch noch erahnen. In der zweiten Fassung war der Baum schon verschwunden, dafür war an der Wand ein grünes Graffiti zu erkennen.
Letztendlich verschwand dieses auch. Es bereitet mir keine Freude, mich sklavisch an die erste Idee zu halten. Ich finde es interessanter, während des Arbeitens auf Zufälliges oder neue Ideen einzugehen. Letztendlich wurde aus meiner ursprünglichen Idee etwas anderes, die einzige Konstante war das blaue Blech oben.
Die A7 im Sommer …?
Der Titel hat auch nichts mit Autobahnen zu tun, das A und die 7 erschienen mir nur als spannungsvolle grafische Komponenten, letztendlich sagen sie aber nichts aus. Was mich an dem Bild reizt, ist das Künstliche oder Manierierte, es ist eigentlich eher ein abstraktes Bild.
Bei meiner Arbeit „In Anbetracht des Wetters“ hatte ich von Beginn an diese Farbstimmung vor Augen. Das Motiv ist ebenfalls „synthetisch“. Gedacht habe ich an eine Fischräucherhütte oder Ähnliches – irgendwie entfernt maritim. Es sollte an die Küste und Landschaft Mecklenburg-Vorpommerns erinnern. Die Häuser, Häuschen und Datschen, die noch immer als Überbleibsel des Arbeiter- und Bauernstaates dort zu finden sind, liegen mir besonders am Herzen. Ihre Dimensionen und Formen finde ich sehr inspirierend. In diesem Fall hatte ich dem typischen DDR-Quartz-Kratzputz vor Augen.
Die Bilder sind immer menschenleer …
Menschenleer ist relativ, sie sind menschenleer dargestellt, aber zeugen von Leben. Außerdem ist ja immer auch der Betrachter da.
Ich interessiere mich für Alltagsarchitektur bzw. Zweckbauten. Sie sind an ihre Funktion gebunden, ohne dass sich jemand groß um ihre Ästhetik kümmert. Da wird Putz grob ausgebessert oder in einer unpassenden Farbe nachgestrichen oder kaputte Fenster mit Spanplatten repariert.
Es finden sich an solchen Bauten nicht nur überraschende Farbkombinationen, sondern auch kompositorische Ungereimtheiten, die nicht nur inspirierend sind, sondern auch ein (meiner Meinung nach) gutes Motiv abgeben.
Überhaupt bietet sich Architektur als Motiv an, denkt man an rhythmisierende Elemente wie Fensterbänder, die eine Fassade gliedern, oder an verschiedene Werkstoffe, die aufeinander treffen und durch ihre unterschiedliche Materialität oder Farbe einem sich als Bildmotiv fast aufzwingen.
Wie entsteht eine Arbeit? Gehst du konzeptionell vor oder „findest“ du deine Themen während des Arbeitens?
Oft schwebt mir vage ein Motiv vor, manchmal auch nur eine Stimmung oder eine Form. Der erste Schritt ist, mich diesem Motiv zeichnerisch zu nähern, manchmal auf Papier, oft direkt auf der Leinwand, nun versteckt unter vielen Farbschichten. Ich ziehe es vor, die Orte auf der Leinwand direkt zu konstruieren, so habe ich ein besseres Gefühl für die Wirkung der Flächen.
Wenn ich dann zufrieden bin mit der Vorzeichnung, alle Formen am richtigen Platz sind und die Komposition mir zusagt, kommt die Farbe. Ich arbeite mit Untermalungen, die erste Farbschicht ist immer Acryl. Hier kann ich dann noch in die Komposition eingreifen und Formen zusammenfassen, betonen oder korrigieren.
Bin ich dann zufrieden, geht es an die Ölfarbe. Das ist meistens der langwierigste Arbeitsschritt. Er beinhaltet viel sitzen und schauen, Farbe mischen, schauen, übermalen, verwerfen, schauen, übermalen …
Im Prinzip beginne ich mit einer groben Idee und verfeinere diese im Prozess immer mehr. Eigentlich habe ich immer das gleiche Thema, wahrscheinlich male ich sogar immer das gleiche Bild, nur mit unterschiedlichen Motiven. Eigentlich biete ich weniger Themen an, als dass ich Räume für die Themen des Betrachters biete. Ein Stück weit geht es immer um die „Poesie des Alltags“ oder „das Schöne im Hässlichen“. Es geht mir um Romantik, nicht um Kritik. Das ist aber mehr im Hinterkopf, wichtig ist immer das Bild an der Wand, an dem ich male – die Komposition, die Farbe….
Du hast es schon gesagt – du malst keine Fotografien nach. Was kann die Malerei, das die Fotografie nicht kann?
Ich habe bei der Fotografie nicht die gleichen Freiheiten oder Möglichkeiten wie in der Malerei. Ich muss mich mit dem, was da ist, begnügen, ich bin unweigerlich an die Realität und an spezifische Orte gebunden. Auch lässt sich die Farbstimmung oder generell die Farbigkeit nicht einfach ändern. Natürlich gibt es Photoshop und ähnliches, aber das reizt mich nicht. Wieso etwas fotografieren, um es dann zu verändern? Ich verstehe Fotografie als ein dokumentarisches Medium.
Mich reizt das Sinnliche an der Malerei – Leinwände aufziehen, Farbe mischen, der Geruch von Terpentin, mit den Händen Arbeiten.
Auch hat die Fotografie keine Oberfläche wie ein gemaltes Bild. Sie ist ein technischer Abzug und glatt, ein gemaltes Bild hingegen lässt Rückschlüsse auf seine Entstehung zu, man kann beispielsweise den Pinselduktus erkennen oder verschiedene Farbschichten.
Wer inspiriert dich?
Mich inspiriert vieles, natürlich andere Maler, aber auch Literatur, Film und Musik.
Um nur einige wenige Namen zu nennen: Giorgio de Chirico, Paul Delvaux, Depeche Mode, Richard Estes, Edward Hopper, Siegfried Lenz, Antonio Lopez, Heinrich Mann, Motörhead, Franz Radziwill, Hans Werner Richter.
Jan, danke für die Einblicke in deine Arbeit!