„Absolut fremd zu sein und das auf sich wirken zu lassen und mit Bildern einer Stadt das Erfahrene auszudrücken“ INTERVIEW mit Detlef Waschkau

Detlef Waschkau ist Bildhauer und Maler. Seine Arbeiten sind, anders als es der erste Blick zu erkennen glaubt, keine Collagen, sondern Bildobjekte. Meist aus Pappelhollz lässt der Künstler reliefartige Werke entstehen, die sich Schritt für Schritt zu einem Ganzen fügen. Diese Arbeitsschritte lassen sich in verschiedenen Bildfeldern nachvollziehen – sie sind eben nicht aus verschiedenen Stücken zusammengesetzt, sondern gewissermaßen im Werden festgehalten.

New York Serie B 2/3 - 2016/17 - 160x120 - Pigment on Paper

New York Serie B 2/3 – 2016/17 – 160×120 – Pigment on Paper

Die Bildfelder entstehen in den einzelnen Phasen der Arbeit. Ein Feld zeigt die erste Stufe, ein anderes die nächste Weiterentwicklung. Wieder bleibt ein Feld stehen, solange, bis sich das Werk aus dem Prozess heraus aus bildhauerischen und malerischen Elementen formt.

Waschkaus Themen sind Stadtlandschaften, Architekturen, aber auch Menschen und Gruppen und immer wieder das Thema Raum. Inspiration findet er auf zahlreichen Reisen.

Im Interview mit deconarch.com verrät Detlef Waschkau, woher sein Interesse am urbanen Raum kommt, wie er seine Themen findet und wie er seine Werke entstehen lässt.

Arbeiten von Detlef Waschkau waren gerade im Kunstmuseum Gelsenkirchen zu sehen (50 Jahre Kunstverein Gelsenkirchen, 16.02. – 08.04.2018) und bei der Kunstagentur Karin Melchior, Kassel (Cities, 8.3. – 17.5.2018). Es folgen Ausstellungen bei der Galerie Lattemann, Darmstadt – New York (New York, im Juni), der Galerie Anette Müller, Düsseldorf (Paperwork, im August), der 21.06 Galerie Ravensburg (im September) und der Kunst Galerie Fürth (Freiraum, 23.11. – 23.12.2018).

 

all illus. (c) Detlef Waschkau
www.detlef-waschkau.de

INTERVIEW

Woher kommt dein Interesse an gebautem, an öffentlichem Raum?

Nach meinem Studium an der HdK in Berlin habe ich sehr zurückgezogen in meinem Berliner Atelier gearbeitet. Zu dieser Zeit habe ich sehr körperbetont gearbeitet, sehr fixiert auf das eigene Selbst und die Wahrnehmung des Körpers als Raum.

 NY High - 2017 - 142x102x1 - Pigment on Wood

NY High – 2017 – 142x102x1 – Pigment on Wood

Das änderte sich, als ich vor 20 Jahren erstmals nach Japan reiste. Nun trat es für mich in den Vordergrund hinauszugehen, zu sehen und zu erforschen. Die Stadt auf mich wirken zu lassen mit ihrer Architektur und der Dynamik der Menschen. Mit einer Kamera ausgerüstet erkundete ich Großstädte, die mich magisch anzogen, und fotografierte Menschen in der Stadt, räumliche Situationen, Bauwerke usw. Ich sammelte Material, das mich für meine späteren Arbeiten inspirierte.

Was für Materialien sind dies?

Ich sammle während meiner Reisen viel Material in Form von Fotos, die ich vor Ort mache. Diese sind wie Skizzen für meine Arbeit. Hinzu kommen meine persönlichen Eindrücke und Erfahrungen.

Nach der „Initialzündung“ in Japan folgten noch viele weitere Aufenthalte in verschiedenen Großstädten.

In den letzten zehn Jahren kamen dann viele Aufenthalte in China dazu, ein Stipendium in Nanjing und verschiedene Ausstellungen in Beijing. Anschließend lebte und arbeitete ich einige Monate in Istanbul. Die letzen drei Jahre war ich regelmäßig in New York, dort hatte ich 2016 ein Stipendium, um eine Ausstellung im deutschen Generalkonsulat in New York vorzubereiten.

NY Times Square - 2016 - 238x157,5x1 - Pigment on Wood / Foto: Nikolaus Netzer

NY Times Square – 2016 – 238×157,5×1 – Pigment on Wood / Foto: Nikolaus Netzer

Großstädte ziehen mich an. Absolut fremd zu zu sein, nicht nur an dem bestimmten Ort sondern auch in der Gesellschaft, Sprache, Kultur und das auf sich wirken zu lassen, sich auf Neues einzulassen, sich nicht innerhalb fester Strukturen zu bewegen empfinde ich als sehr spannend. Da ich während meiner Projekte auch länger in den jeweiligen Städten lebe, versuche ich in deren Fluss des Lebens einzutauchen, in die besondere Atmosphäre der Megacities, die Vielfalt der Kultur und der Architektur, teilweise monströs und ausufernd, der Verlust der Individualität des Einzelnen, ich könnte endlos aufzählen. Hier prallen Welten aufeinander auch in der Architektur. Welten aus verschieden Epochen, verschiedenen Stillen und sozialen Schichten. Dies wird auch an in der Architektur sichtbar. Hieraus ergeben sich im Moment die Themen meiner Werke.

Wie ist dein Arbeitsprozess: Gehst du konzeptionell vor oder „findest“ du deine Themen während des Arbeitens?

Das Bauen war schon immer ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Von Anfang an waren meine Werke entweder aus verschiedenen Materialien gebaut oder aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt. Ich denke, ich hätte zu dieser Zeit auch Architekt werden können.

Detail _ NY Times Square - 2016 - 238 x157,5x1 - Pigment on Wood

Detail _ NY Times Square – 2016 – 238 x157,5×1 – Pigment on Wood

Es gibt vorbestimmte Arbeitsschritte. Die Themen meiner Werke entstehen während der Beschäftigung mit Fotomaterial, meist selbstgemacht, manchmal auch aus Zeitschriften und Büchern. Es gibt auch Ideen, die ich schon lange in mir trage und die zum richtigen Zeitpunkt dann umgesetzt werden. Ich versuche, mir Offenheit zu bewahren, um neue Idee und Themen und Techniken in meine Arbeit einzubringen, damit sich mein Werk weiterentwickeln kann.
Es ist mir wichtig, die Dinge nicht getrennt voneinander, sondern im Zusammenhang zu sehen. Deshalb arbeite ich auch mit meiner Form des Reliefs, weil ich hier mit Fläche, Raum und auch Zeit ein Kunstwerk entwickeln kann.

Wie hast du deine besondere Technik der Reliefs für dich entwickelt? Im ersten Moment denkt man häufig, dass man eine Collage vor sich hat…

Viele glauben, dass es sich bei meinen Reliefs und Papierarbeiten um eine Collage-Technik handelt. Das ist es aber nicht der Fall! Die Arbeit wird nicht aus verschiedenen Stücken zusammengesetzt, sondern besteht aus einer zusammenhängenden Holzplatte oder einem Blatt. Das Werk besteht aus verschiedenen Bildfeldern, die das Relief zu verschieden Zeiten/Phasen der Entstehung zeigt. So gibt es etwa ein Feld, das den Beginn des Arbeitsprozesses aufzeigt, Die ersten Schritte einer Arbeit zeigen meist eine malerisch-expressiv angelegte Form. Hier wird Farbe mit großen Pinseln auf das Material aufgetragen, das Thema wird angedeutet. Aus dieser Phase wird dann ein Stück stehen gelassen. Der Rest des werdenden Reliefs wird dann weiterbearbeitet. In der folgenden Zeit wird das Motiv konkreter, später kommt dann die Bildhauerei dazu. Aus jeder Phase bleibt ein Feld stehen. So ergibt sich auch eine zeitliche Abfolge der einzelnen Felder. Also kann ich in meinen Werken sowohl mit Fläche und Raum als auch mit dem Faktum Zeit arbeiten.

G _ New York - 2016 - 104x138x1 - Pigment on Wood / Foto Nikolaus Netzer

G _ New York – 2016 – 104x138x1 – Pigment on Wood / Foto Nikolaus Netzer

Zu Studienzeiten hat es mich immer gestört, dass Prozesse, die am Beginn einer Arbeit standen, später, im fertigen Werk nicht mehr zu sehen waren. Da begann ich nach Möglichkeiten zu suchen, wie man die einzelnen Entwicklungsschritte eines Werkes sichtbar machen könnte. Das Werk ist der Hauptdarsteller und die Entwicklung eines Reliefs, Bildes oder einer Zeichnung sollte für mich im Mittelpunkt stehen. Das ist die Grundidee, die den Werken innewohnt.

Früher habe ich Skulpturen aus vielen verschiedenen Materialien (Wachs, Gips, Metal, Holz, Gummi usw.) gebaut. Doch im Laufe des Studiums stellte sich immer mehr heraus, dass Holz das genau richtige Material für meine Werken und meine Ideen ist. Auf Pappel malerisch zu arbeiten und es auch gleichzeitig bildhauerisch bearbeiten zu können, gibt mir die Möglichkeiten, die ich für die Umsetzung meiner Ideen brauche.

Detlef, herzlichen Dank für die Einblicke in deine Arbeit!

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