„Ich schätze es, die Grenzen zwischen Malerei und Fotografie fließend zu halten.“ INTERVIEW mit Astrid Busch
Fotografien sind der Ausgangspunkt, der Schwerpunkt ihrer Arbeiten. Astrid Busch sammelt Bilder, die ihr im Alltag begegnen und transfomiert sie – im Ganzen, in Teilen, druckt sie auf verschiedene Materialien, verändert ihre Dimensionen. Dann kommen sie in den Raum, in und an dem Busch arbeitet, wo sie etwa auf Holz oder Betonobjekte, oft ebenfalls alltägliche Fundstücke, treffen, auf Sound und Video. So entstehen ortsspezifische Rauminstallationen, in denen sich Bezüge entfalten, zwischen Fotografie und Video, Projektion und Objekt und immer im, mit dem, zum Raum.
Diese Bezüge sind es, die Astrid Buschs Arbeiten suchen. Ihre multimedialen Inszenierungen reagieren auf die im Raum vorgefundene Architektur und ihre Besonderheiten. Fotografie wird zum Arbeitsmaterial, mit dem Bildideen und Raumkonzepte umgesetzt werden. Die Besucher tauchen in neue, eigene Rauminzenierungen ein, die aus dem Zusammenspiel von Form, Farbe und Licht, von Hell udn Dunkel, von Narration, Fiktion und Wirklichkeit entstehen.
Aktuell ist eine Arbeit von Astrid Busch in der Gruppenausstellung „Alles” im Studio im Hochhaus in Berlin zu sehen (24. Januar bis 4. April 2018). Ab dem 12.4.2018 wird eine eigens für die Ausstellung „Catching the light“ im Kai10 / Arthena Foundation in Düsseldorf konzipierte Installation gezeigt.
Im Interview mit deconarch.com erzählt Astrid Busch, was sie an der Arbeit mit und im Raum fasziniert, warum sie das Bauhaus beschäftigt und verrät, wie ihre Arbeit vonstatten geht.
all illus. (c) Astrid Busch
www.astridbusch.com
INTERVIEW
In medias res: Warum das Interesse an Architektur, Gebautem? Was für eine Art Raum interessiert dich?
Ich interessiere mich besonders für Räume und Orte, die aufgrund ihrer Geschichte, Architektur und Stimmung besondere, spezifische Aspekte aufweisen. Diese Räume und mit ihnen verbundene Ereignisse untersuche ich in Form von ortsbezogenen Interventionen, wobei ich vorhandene bauliche Strukturen aufgreife und medial transformiere. Meine Installationen sind offen für Einflüsse aus Architekturgeschichte, Film, Literatur und Musik. Wandgroße Fotografien, Fotoobjekte und Videoinstallationen, deren motivische Grundlage im Studio gebaute Objekte aus verschiedenen, sowohl gefundenen wie eigens hergestellten Materialien und Elementen sind, treten in einen Dialog mit dem realem Raum, erweitern und transformieren ihn. In diesem Kontext wird die Fotografie zu einem Teil des architektonischen Ensembles. Meine Arbeiten generieren sich aus Kontrasten zwischen Licht und Dunkelheit, Fiktion und Wirklichkeit sowie verschiedenen Formen des Erzählens. Als Dokumente skulpturaler Interventionen versuche ich durch Materialeingriffe und bewusste Lichtführungen eigene Räume zu schaffen, die im Zusammenspiel wirken und ihre spezifischen Geschichten befragen. So werden die visuelle Mehrdeutigkeit des Raumes und ihre narrativen, politischen und sozialen Möglichkeiten thematisiert.
Wie ist dein Arbeitsprozess: Gehst du konzeptionell vor oder „findest“ du zufällig Themen?
Im Rahmen von Aufenthaltsstipendien habe ich bereits mehrere Installationen, die sich auf den spezifischen Ort bezogen, realisieren können. Deshalb bewerbe ich mich gezielt für Orte, die ich aufgrund ihrer speziellen Lage und Geschichte, Stimmung und Architektur interessant finde.
So verbrachte ich im September und Oktober 2017 jeweils vier Wochen im Rahmen eines internationalen Austauschprogramms in Armenien und Georgien. Die Auseinandersetzung mit historischen, architektonischen und sozialen Kontexten der Städte Jerewan und Tbilissi bildet die Basis für neue Arbeiten. Zwei Installationen realisierte ich bereits im Historischen Museum in Tbilissi und bei Hammerschmidt und Gladigau in Erfurt.
Ich interessiere mich für Architekten und Künstler aller Medien, es gibt immer wieder Positionen, die mich faszinieren und beeinflussen. Meine Vorlieben haben sich dabei aber im Laufe meiner künstlerischen Entwicklung genauso verändert wie meine eigene Arbeitsweise. Es sind aber fast immer Bilder und Objekte, die mir im Alltag begegnen, die ich sammle, transformiere, fragmentiere und in meine Installationen einbeziehe.
Was ist das Besondere an diesen Städten?
Es sind Metropolen zwischen Umbruch und Aufbruch, was sich in Kunst, Alltag und im Stadtbild zeigt. Tbilissi zeichnet sich durch ein Architekturpuzzle unterschiedlichster Stile aus. Bröckelnde, neoklassizistische Hausfassaden, mittelalterliche Kirchen, die neben sowjetischem Modernismus und futuristischen Strukturen zeitgenössischer Architektur herausragen. Religiöse Bräuche werden offensichtlich und völlig selbstverständlich in den Alltag integriert.
Baustellen, Ruinen und Häuserfronten, die nur noch durch die Stabilisierung von Metallträgern gehalten werden, dienen ebenso zur Inspiration meiner Werke wie georgische Filmregisseure. Versatzstücke aus den gewonnen Eindrücken und gefundenen Werbefragmenten treffen aufeinander, werden überblendet und durch Fragmentierung und Rekontextualisierung in einen neuen Zusammenhang gebracht. Abstrakte Formen und minimalistische Zeichen treten in einen Dialog mit der Architektur des Ausstellungsraumes.
Gerade modernistische Architektur ist immer wieder von Bedeutung für dich …
Ich habe mich in der Vergangenheit bereits wiederholt mit Architekten des Bauhauses beschäftigt. Im Rahmen einer Residency bei „La Forme Lieu d’exposition Art Contemporain Architecture” in Le Havre (Normandie) mit anschließender Ausstellung im September 2016 bildete die Beschäftigung mit dem Werk von Auguste Perret und seinem Umfeld (Le Corbusier, Piet Mondrian u.a.) die Basis für eine ortsspezifische Installation. Die Architektur Oskar Niemeyers sowie die melancholische Stimmung der Stadt, die Formen der Bunker, die Vergangenheit und Zukunft, regten mich zu einer subjektiven Collage an, in der ich all diese Aspekte zusammenführte. Der Titel der Ausstellung „ce n’est pas un désert, ni une fôret” ist ein Auszug aus einem Zitat von Pierre Dalloz, einem Mitarbeiter Perrets.
In der eigens für den Geraer Kunstverein entworfenen Installation „Funky Town“ im Jahr 2014 kam ich über Thilo Schoders moderne Bauten zur Bauhaus-Architektur und zum Bauhaus selbst, zum Bühnenbild der 1920er Jahre, zum expressionistischen Gesamtkunstwerk und zum Film „Cabinet des Dr. Caligari“. Von dort führte der Weg zur russischen Avantgarde und zum russischen Konstruktivismus, zu El Lissitzky und seinen Proun-Räumen.
Meine Untersuchungen der Orte mit all ihren Facetten führen zu multimedialen Inszenierungen, die in einen Dialog mit dem Ausstellungsort treten und die Besucherinnen in neue Räume eintauchen lassen. Im Zentrum steht stets das Licht und seine Bedeutung für unsere Wahrnehmung von Raum, Form und Farbe.
Ganz konkret: Wie entstehen deine Arbeiten?
Schon während meines Studiums der Malerei begann ich zunehmend mit Fotografie zu arbeiten, zunächst ausschließlich analog im Bereich der inszenierten Fotografie, weil diese für mich adäquates Ausdrucksmittel für die Schaffung von erzählerischen Situationen war. Grenzbereiche zwischen den einzelnen Medien, wie die Übergänge zwischen Malerei, Film, Theater und Fotografie interessierten mich bereits hier. Erzählungen wurden in einem klar definierten Bild zum Ausdruck gebracht, bis ich später meine Bilder in den Raum hinein öffnete und Motive auf Tapeten und andere Träger druckte und als architektonische Bestandteile des Raumes zu begreifen begann. Meine Arbeiten wurden zunehmend installativer, nahmen Bezug auf den Ausstellungsort und bilden seitdem raumübergreifende Referenzsysteme.
Ich benutze verschiedene Materialien meines Arbeitsalltags, Versatzstücke aus Industrie, Werbung, Architektur z.B., bearbeite diese und setze sie im Studio neu zusammen. Ich baue Settings und Bühnen, übermale, sprühe, projiziere, schichte und entwickle daraus meine Bilder. Das Ergebnis ist meistens eine Komposition, die inhaltlich und kompositorisch stimmig sein muss.
Wie wählst du deine Materialien?
Fotografie bildet einen Schwerpunkt in meinen Arbeiten. Ich drucke die Motive auf verschiedene Materialien, z.B. auf Tapeten und Stoffe, oder zeige sie als gerahmte Fotografien. Außerdem arbeite ich mit Objekten im Raum, aus Holz oder Beton, mit Video und Sound. Die verschiedenen Medien nehmen Bezug zueinander und funktionieren im Wechselspiel.
Die Fotografie ist für mich ein Hilfsmittel, um Bildideen und Raumkonzepte visuell umzusetzen. Ich schätze die Vielfältigkeit des Mediums, das Drucken auf unterschiedlichen Bildträgern und das Anpassen der Größen an den Raum.
Ich schätze es, die Grenzen zwischen Malerei und Fotografie fließend zu halten. Mein Interesse gilt den wechselseitigen Bezügen von Fotografie, Video, Projektion und Objekten im Raum im Zusammenhang mit ortsspezifischen Interventionen.
Astrid, herzlichen Dank für die Einblicke in deine Arbeit!