Das Vitra Schaudepot – Architektur. Idee. Objekt | REVIEW
Nur wenig Möbelproduzenten haben sich die Bedeutung und Bedeutsamkeit von Design so umfassend auf die Fahnen geschrieben wie Vitra. Möbel, Einrichtung und Raumgestaltung, Einrichten, Bauen und Gestalten denkt man hier Hand in Hand. Architektur und Objekte gestalten Lebensraum, Design hört somit nicht beim Herstellen von Gegenständen auf, sondern umfasst weitaus mehr, so der Selbstanspruch der Firma.
In Weil am Rhein wird dieser gewissermaßen fast schon gelebt (soweit man das von einer Firma und einem Firmenareal sagen kann) – jedenfalls sind auf dem Vitra Campus Architektur, Gestaltung und Design-Produktion, Kunst und Kultur verquickt und verschränkt wie kaum anderswo. (Mehr dazu von neutraler Seite und auf der Firmenwebsite).
Vor Kurzem wurde ein weiteres neues Gebäude eröffnet, entworfen von Herzog & de Meuron (natürlich, ist man fast versucht zu sagen, wer sonst, nachdem gerade die „Elphi“ furios eröffnet wurde und auch die ambivalenten Pläne für das Berliner Kulturforum bekannt geworden sind. HdM allerorten!). Tatsächlich haben die Basler in Weil quasi Heimspiel; zudem ist es bereits der zweite Bau nach dem VitraHaus (2010) auf dem Vitra-Campus.
Wieder ist es ein Schau-Raum geworden, zur Präsentation von Möbeln und Objekten. Aber ein völlig anderer: In dem schlichten, lagerhallenartigen Schaudepot ist jetzt, endlich, dauerhaft die Sammlung des Vitra Design Museums zu sehen – mit rund 20.000 Objekten weltweit eine der größten. Den Kern bildet ein etwa 7.000 Stücke umfassender Bestand an Möbeln, der fast alle wichtigen Epochen und Protagonisten des Designs von 1800 bis heute abdeckt. Im Schaudepot werden diese nun (in einer Auswahl) präsentiert – nicht in einer musealen Ausstellung, sondern in einer lagerartigen Depotschau mit “Hochregalen”, wie sie derzeit sehr beliebt ist. (Wir waren noch nicht vor Ort, aber Fotografien lassen auf eine stimmige Präsentation schließen.) Eine Zeitreise durch die Stilgeschichte des Möbeldesigns von 1800 bis in die Gegenwart!
Hinzu kommen über 1.000 Leuchten sowie Archive und Nachlässe von Designern wie Charles & Ray Eames, Verner Panton und Alexander Girard im Sammlungsbestand.
Ausführliche Informationen zu den Objekten werden über einen digitalen Katalog vermittelt, den der Besucher im Schaudepot über sein Smartphone oder Leihgeräte (Tablets) abrufen kann – und ein gedrucktes Katalogbuch:
Nun ist auch die begleitende Publikation verfügbar. Ein Paperback-Katalogbuch in handlichem Format, zwischen A5 und A4 und mit guten 100 Seiten auch nicht allzu dick. Keiner dieser fast monografisch aufgemachten Kataloge also, an denen ein Coffee Table Book verloren gegangen ist (keine Wertung, viele Themen sind wissenschaftlich und visuell so umfangreich, dass das Format gerechtfertigt ist, auch wenn es dann kaum mit in die Ausstellung selbst genommen werden kann), sondern ein Kurzführer, der Handlichkeit und Funktionalität verspricht und somit zum Ansatz des Schaulagers passt.
Das Vitra Schaudepot
Architektur, Idee, Objekte
Erschienen: 12/2016, 108 Seiten
Herausgeber: Mateo Kries
Redaktion: Viviane Stappmanns
Verlag: Vitra Design Museum GmbH
ISBN: 978-3-945852-12-5
Die Publikation kann hier bestellt werden und ist in ausgewählten Buchläden verfügbar.
Gegliedert in vier Kapitel gibt es eine Einführung zum „Neuen Ort für Design“ sowie „Einblicke“ in den Bau und die Sammlung. Das Gebäude wird mit ein paar Fotos und Plänen vorgestellt. Auch Statements von HdM und Rolf Fehlbaum sind eingeschlossen – warum eigentlich ausgerechnet Stühle sammeln?
Daneben gibt es vor allem die „Objekte“ – die Stühle. Eine chronologisch geordnete listenartige Übersicht der ausgestellten Objekte bieten eine konzentrierte Geschichte des jüngeren Stuhldesigns, kurze Essays ordnen die Objekte in ihren jeweiligen designgeschichtlichen Kontext ein und geben Einblick in die Überlegungen, die hinter der Auswahl der gezeigten Stücke stehen.